7 ungewöhnliche orte in Berlin für Graphic Recording (4/7)
4. Funkhaus Berlin
Ungewöhnliche Orte für Graphic Recording in Berlin: In den ersten drei Teilen der Serie habe ich aus meiner Arbeit als Graphic Recorder in den Märchenhütten im Monbijoupark in Berlin-Mitte, im Hamburger Bahnhof und in der Kirchenruine St. Michael berichtet. Ein weiteres Highlight war mein Graphic Recording im Funkhaus Berlin in der Nalepastraße.
Von der Munitionskistenfabrik zum Funkhaus
Das ehemalige Rundfunkzentrum der DDR wurde in den 1950er Jahren von Bauhaus-Schüler Franz Ehrlich konzipiert. Das Besondere daran war, dass er die bestehenden Gebäude einer Holzverarbeitungsfabrik, die im Zweiten Weltkrieg hauptsächlich Munitionskisten produzierte, in den Komplex integrierte. Das „Wahrzeichen“ des Funkhauses ist der neungeschossige Verwaltungsturm, den man auch vom Plänterwald auf der anderen Spreeseite aus gut sehen kann.

Der Grosse Aufnahmesaal
Das eigentliche Schmuckstück des Funkhauses ist jedoch der große Aufnahmesaal, den Franz Ehrlich gvemeinsam mit dem Toningenieur Gerhard Probst konzipierte. Im großen Aufnahmesaal integrierte Ehrlich als Zugeständnis an den Zeitgeist einige neoklassizistische Elemente, obwohl dies dem nüchternen Bauhaus-Stil eigentlich zuwider läuft. Dank der aufwendigen Haus-in-Haus-Konstruktion verfügt der Aufnahmesaal über eine hervorragende Akustik, die zu DDR-Zeiten für Konzertaufnahmen und die Aufnahme von Hörspielen genutzt wurde. Seit 2015 finden in dem Aufnahmesaal wieder Konzerte statt, unter anderem von Pussy Riot, Nils Frahm („Music for Berlin“), Aphex Twin, Arrested Development und Depeche Mode.

Bürgerdialog Neustart Spreepark
Berlin ist nicht arm an ungewöhnlichen Orten und einer der ungewöhnlichsten ist der Spreepark. Der einzige Vergnügungspark der DDR wurde1969 unter dem Namen „Kulturpark Plänterwald“ eröffnet und in den 1990er Jahren von dem zwielichten Fahrgeschäftsbetreiber Norbert Witte übernommen, der später wegen Drogenschmuggels verurteilt wurde. Danach verwahrloste das Gelände und nach einem Großfeuer (2014) wurden viele Gebäude abgerissen. Das Gelände wurde von der landeseigenen Grün Berlin GmbH übernommen, die 2016 zu einem Bürgerdialog im Funkhaus einlud. Diesen Dialog begleitete ich als Graphic Recorder gemeinsam mit meinem Kollegen Christoph Kellner.
Vom Spreepark zum Bürgerpark
Zu dem Bürgerdialog hatte die Grün Berlin GmbH ein breites Spektrum an Stakeholdern eingeladen: neben den Anwohnern im Ortsteil Plänterwald auch verschiedene Umweltgruppen, Vertreter der Berliner Forsten und zahlreiche Vertreter der Berliner Kulturszene von der Shakespeare Company bis hin zur Graffitiszene. Die Grün Berlin GmbH stellte ihr Konzept vor: statt eines reinen Vergnügungsparks soll ein Bürgerpark entstehen, wo im Schatten des Riesenrads kulturelle und ökologische Projekte gedeihen. Die Bürger waren aufgerufen, eigene Vorschläge einzureichen, von denen vor allem die Idee eines neuen Freibads viel Anklang fand. Allerdings ist diese Idee mit den Plänen des Berliner Senats nicht vereinbar, die Uferwege nicht zuzubauen.
Das Graphic Recording
Viele dieser Ideen finden sich im Graphic Recording wieder. Sei es die Öffnung des Spreetunnels zwischen Alt-Stralau und Plänterwald, die Renaturierung des Geländes, die Nutzung des Parks für kulturelle Angebote, die Erhaltung des Areals als Naherholungsgebiet oder die Schaffung von offenen Räumen – all das und noch viel mehr ist in dem Graphic Recording eingefangen und in Bezug gesetzt mit dem Raum des Spreeparks, der symbolisch als leere Kontur dargestellt ist. Für mich war es ein besonderes Erlebnis an einem ungewöhnlichen Ort zu einem außergewöhnlichen Ort in Berlin zu arbeiten, und bei so viel angeregter Diskussion vergingen die 4 Stunden wie im Flug.

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Julian Kücklich
Graphic Recording &
Illustration Berlin